Dr. Wolfgang Zimmerling, Saarbrücken
Dr. Robert Brehm, Frankfurt a. M.

Rechtsschutzfragen der "Fachanwaltszulassung"

I. Die gerichtliche Kontrolldichte

1. Rechtliche Grundlagen

§ 59 b BRAO1 beinhaltet die Satzungskompetenz zum Erlaß einer Berufsordnung. Gemäß § 59 b Abs. 2 Ziff. 2 b BRAO kann in dieser Berufsordnung geregelt werden "die Regelung der Voraussetzungen für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung und des Verfahrens der Erteilung, der Rücknahme und des Widerrufs der Erlaubnis". Die von der BRAK am 29.11.1996 verabschiedete Fachanwaltsordnung (FAO) ist am 11.03.1997 in Kraft getreten.2 Nach § 43 c Abs. 2 BRAO entscheidet über den Antrag des Rechtsanwalts auf Erteilung der Erlaubnis zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung der Vorstand der RAK durch einen dem Rechtsanwalt zuzustellenden Bescheid, nachdem ein Ausschuß der Kammer die von dem Rechtsanwalt vorzulegenden Nachweise über den Erwerb der besonderen Kenntnisse und Erfahrungen geprüft hat.3 Für etwaige Klagen, sind nicht die Verwaltungsgericht, sondern gemäß § 223 BRAO die Anwaltsgerichte zuständig.4 Rechtsschutzfragen im Zusammenhang mit dem Verfahren der "Fachanwaltszulassung" sind bislang kaum erörtert worden. Dies ist im Hinblick auf die zahlreichen veröffentlichten Gerichtsentscheidungen des BGH, der Ehren- und Anwaltsgerichtshöfe verwunderlich.

2. Die "Selbstbeschränkung" der Ehren- und Anwaltsgerichtshöfe

a) In den Entscheidungen der Ehren- und Anwaltsgerichtshöfe war jahrelang zu lesen, daß es sich bei der Entscheidung des Vorstandes der RAK über den Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung, um eine Prüfungsentscheidung handele, auf die die Rechtssätze der Rechtsprechung des BVerfG sowie des BVerwG zur Anfechtung von Prüfungsentscheidungen5 Anwendung finden.6 Die Literatur hat dieser Auffassung durchweg zugestimmt.7 Hiernach kann das Gericht nur überprüfen, ob erhebliche Verstöße gegen Verfahrensbestimmungen der FAO vorliegen, ob Gesetze richtig angewandt und ausgelegt wurden, ob von falschen Tatsachen ausgegangen wurde, ob allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe beachtet wurden und ob sich die Kammer vom sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Allgemein wurde behauptet, daß die Entscheidung der RAK nur eingeschränkt anwaltsgerichtlich überprüfbar ist.8

b) Man vermißt allerdings die Prüfung, ob die Rechtsprechung des BVerfG zur gerichtlichen Überprüfung von Prüfungsentscheidungen überhaupt herangezogen werden kann. Diese Rechtsprechung des BVerfG bezieht sich ausschließlich auf berufseröffnende Prüfungen, somit auf Vorschriften, die die Berufswahl regeln. Dementsprechend "dicht" muß die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte sein.9 Die Erteilung der Erlaubnis zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung stellt aber "nur" eine Berufsausübungsregelung dar.10 Ob diese Rechtsprechung des BVerfG zur gerichtlichen Kontrolldichte bei berufseröffnenden Prüfungen auf sonstige Prüfungen übertragbar ist, ist sehr streitig.11

c) Weiterhin stellt sich die Frage, ob das Verfahren auf Verleihung der Befugnis zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung überhaupt als Prüfung oder prüfungsähnliche Entscheidung anzusehen ist. Der BGH und einige Autoren sprechen zwar ständig von einem "Prüfungsausschuß" und meinen damit den Ausschuß gemäß § 43 c Abs. 3 Satz 1 BRAO.12 Von manchen Autoren wird dieses Verfahren auch ausdrücklich als "Prüfungsverfahren" bezeichnet.13 In der Rechtsprechung wird weiterhin die Frage diskutiert, ob ein Fachgespräch bereits deshalb rechtsfehlerhaft sei, weil eine "Prüfungsordnung" fehle und daher nicht ersichtlich sei, nach welchen Kriterien das Fachgespräch durchzuführen sei. Dem wird lediglich entgegengehalten, daß die inhaltlichen Anforderungen an das Fachgespräch sich aus dem Gesetz selbst ergeben, ohne daß die Frage gestellt wird, ob von der Sache her eine Prüfungsordnung geboten ist.14

Der Gesetzgeber hat in § 43 c Abs. 2 BRAO normiert, daß ein Ausschuß der Kammer die von dem Rechtsanwalt vorzulegenden Nachweise über den Erwerb der besonderen Kenntnisse und Erfahrungen zu prüfen hat. Zu prüfen sind somit die vorgelegten Nachweise, nicht aber der Rechtsanwalt selbst. Bei einer Prüfung im eigentlichen Sinne geht es um die Kenntnisse und das Wissen des Prüflings, nicht jedoch um die Prüfung der von diesem vorgelegten Nachweise. Letztendlich entscheidet gemäß § 43 c Abs. 2 BRAO der Vorstand der RAK. Dies ist auch dann der Fall, wenn das Fachgespräch eine zusätzliche Beurteilungsgrundlage ergibt. In diesem Fachgespräch können sowohl die besonderen Kenntnisse als auch die besonderen Erfahrungen geprüft werden.15 Wollte man das Fachgespräch als "echte" Prüfung ansehen, so wäre es zwingend geboten, daß der Vorstand der RAK an der Prüfung teilnimmt. Nach gefestigter Rechtsprechung muß nämlich der Prüfer während der gesamten mündlichen Prüfung im Prüfungsraum sein. Der Prüfer muß sich auch uneingeschränkt der Prüfung widmen.16 Eine (Vor-)Prüfung vorgelegter Nachweise über den Erwerb der besonderen Kenntnisse und Erfahrungen durch einen Ausschuß ist nicht zu beanstanden. Insoweit verbleibt die Letztentscheidung beim Vorstand der RAK. Es wäre indes unerträglich, wenn der Vorstand der RAK auch über die Bewertung einer Prüfungsleistung befinden müßte, obwohl er an der fraglichen Prüfung überhaupt nicht teilgenommen hat.

Hinsichtlich der Prüfung der vom Rechtsanwalt vorgelegten Nachweise kann ohne weiteres die Rechtsprechung des BVerwG zur Gleichwertigkeit und Anerkennung von in anderen Bundesländern abgelegten Prüfungen17, zur Anerkennung eines im Ausland absolvierten Studiums18 oder zur Anerkennung eines im Ausland erworbenen akademischen Grades19 herangezogen werden. Die Rechtsprechung hat insoweit immer wieder betont, daß die Prüfung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes aufgrund vorgelegter Urkunden und Dokumente in vollem Umfang gerichtlich nachprüfbar ist. Gleiches hat im übrigen das BVerwG auch bejaht für die Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten eines Heilpraktikeranwärters. Nach Auffassung des BVerwG kommt ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbare Beurteilungsspielraum nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung in Betracht. Dies wurde bei der Heilpraktikerprüfung verneint.20

Es ist somit festzuhalten, daß die Prüfung von Nachweisen (über eine bestimmte Qualifikation) nicht mit der Bewertung einer schriftlichen oder mündlichen Prüfungsleistung vergleichbar ist. Von daher kann die Rechtsprechung des BVerfG zur (nur eingeschränkten) Überprüfbarkeit von Prüfungsentscheidungen nicht herangezogen werden.

d) Weiterhin entsteht der Eindruck, daß die Ehren- und Anwaltsgerichtshöfe die Rechtsprechung des BVerfG sowie des BVerwG nicht sonderlich intensiv überprüft haben. Diese Gerichte differenzieren nämlich strikt zwischen der Beantwortung von Fachfragen, über deren richtige Beantwortung sich häufig streiten lasse, und prüfungsspezifischen Wertungen, die vor allem in der Benotung der Arbeit ihren Niederschlag finden. Nur hinsichtlich derartiger Wertungen bestehe eine Letztentscheidungskompetenz der Prüfungsbehörde. Fachwissenschaftliche Richtigkeitsentscheidungen seien dagegen nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung dürfe nicht als falsch gewertet werden. Der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Beurteilungsspielraum verbleibt somit nur bei der Bewertung der Prüfungsleistung, insbesondere auch im Hinblick auf die von anderen Prüfungskandidaten gezeigten Leistungen.21 Übertragen auf den Vorgang gemäß § 43 c Abs. 2 BRAO kommt somit ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum nicht in Betracht, soweit es ausschließlich um die Prüfung und Bewertung vorgelegter Nachweise geht.

3. Die (neuere) Rechtsprechung des BGH

Dieser Rechtsprechung der Ehren- und Anwaltsgerichtshöfe ist nunmehr der BGH entgegengetreten, der dezidiert dargelegt hat, daß dem Fachausschuß kein der richterlichen Nachprüfung entzogener Beurteilungsspielraum bei die Beantwortung der Frage zustehe, ob die von dem Bewerber vorgelegten schriftlichen Unterlagen ausreichen, die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung zu befürworten oder zuvor ein Fachgespräch anberaumt werden muß. Die Entscheidung des Vorstandes der RAK über den Antrag auf Erteilung der Erlaubnis (§ 43 c Abs. 2 BRAO) sei in vollem Umfang rechtlich gebunden. Der BGH betont, daß die Feststellung der vom Bewerber nachzuweisenden Kenntnisse und Erfahrungen in hohem Maße formalisiert sei. Im Vordergrund der Entscheidung stehe nicht eine individuell ausgerichtete Ermittlung des Wissens und der praktischen Fähigkeiten des einzelnen Bewerbers, wie sie für eine (juristischen) Staatsprüfung kennzeichnend sei. Die dem Ausschuß obliegende Aufgabe lasse sich im Gegensatz zu der von komplexen Vorstellungen und Erfahrungen geprägten, in der Gesamtheit der Erwägungen schwer darstellbaren Prüfungsentscheidung durch rechtliche Regeln vollständig erfassen.

Eine gesetzliche Ermächtigung zu einer nicht vollständig kontrollierbaren Abwägung sei nicht vorhanden.22 Diese Rechtsprechung des BGH wird allerdings nicht unbedingt von den Instanzgerichten zur Kenntnis genommen.23 Hervorzuheben ist somit, daß auch der BGH darauf abstellt, ob von Gesetzes wegen dem Fachausschuß oder dem Vorstand der RAK eine Beurteilungsermächtigung zukommt.24

II. Inhalt des Fachgespräches

1. Das Fachgespräch in der Rechtsprechung des BGH

Gemäß § 7 Abs. 1 FAO lädt der Ausschuß der RAK, der seine Stellungnahme gegenüber dem Vorstand hinsichtlich der besonderen theoretischen Kenntnisse und der besonderen praktischen Erfahrungen nach dem Gesamteindruck der vorgelegten Zeugnis und schriftlichen Unterlagen nicht abgeben kann, zu einem Fachgespräch. Hat der Ausschuß Fälle zu Ungunsten des Antragstellers gewichtet, besteht ein Anspruch auf das Fachgespräch. Gemäß § 7 Abs. 2 FAO sollen bei der Ladung zum Fachgespräch Hinweise auf die Bereiche gegeben werden, in denen der Fachausschuß den Nachweis anhand der eingereichten Unterlagen nicht als geführt ansieht. Die Fragen sollen sich an in diesen Bereichen in der Praxis überwiegend vorkommenden Fällen ausrichten. Die auf den einzelnen Antragsteller entfallende Befragungszeit soll nicht weniger als 45 und nicht mehr als 60 Minuten betragen. Über das Fachgespräch ist ein Inhaltsprotokoll zu führen.

b) Nach der älteren Rechtsprechung des BGH kann das Ergebnis des Fachgespräches ungeachtet der Berechtigung zur Ladung25 verwertet werden, sofern der Rechtsanwalt der Ladung gefolgt sei. Dieses Fachgespräch sei eine "neue zusätzliche Beurteilungsgrundlage".26 Der BGH bezieht sich insoweit auf die Rechtsprechung des BVerwG zur Begutachtung der theoretischen Kenntnisse gemäß § 15 b Abs. 2 Satz 2 StVZO. Das Ergebnis der durchgeführten Prüfung schaffe eine neue Tatsache, die selbständige Bedeutung habe.27 Das BVerwG spricht insoweit ausdrücklich von einer "Prüfungsleistung". Hiermit im Einklang hat der BGH bislang die Auffassung vertreten, daß das vorgesehene Fachgespräch dazu diene, dem "Prüfungsausschuß" in Zweifelsfällen Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Rechtsanwalt tatsächlich den Anforderungen genüge, die an die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung zu stellen sind.28 Darüber hinaus hat der BGH betont, daß der Nachweis von besonderen, das durchschnittliche Maß übersteigenden theoretischen Kenntnisse im jeweiligen Einzelfall einer Wertung durch die Rechtsanwaltkammer unterliege.29

Nach der neueren Rechtsprechung des BGH kann das Gericht hingegen feststellen, ob die besonderen gesetzlichen Voraussetzungen für den Nachweis besonderer Kenntnisse und Erfahrungen gegeben sind. Dem Ausschuß verbleibt in dieser Hinsicht kein Beurteilungsspielraum. Die Ladung zu einem Fachgespräch setzt die Feststellung voraus, daß der Bewerber allein durch die schriftlichen Unterlagen den erforderlichen Nachweis nicht geführt hat.30 Demzufolge hat das Gericht zu prüfen, ob der Ausschuß allein aufgrund der vom Rechtsanwalt vorgelegten Unterlagen hätte entscheiden können, daß die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen nachgewiesen sind.31

c) Unproblematisch ist die gerichtliche Überprüfungskompetenz bei unbestimmten Rechtsbegriffen.32 So können die Anwaltsgerichte ohne weiteres überprüfen, ob gemäß § 2 Abs. 2 FAO besondere theoretische Kenntnisse und besondere praktische Erfahrungen vorliegen, wobei diese auf dem Fachgebiet "erheblich das Maß dessen übersteigen" müssen, das üblicherweise durch die berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung im Beruf vermittelt wird. Hierbei handele es sich um eine empirische Feststellung.33 Problematisch wird es jedoch bei der gemäß § 5 Satz 2 FAO gegebenenfalls vorzunehmenden Gewichtung aufgrund von Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit einzelner Fälle.34 In der Literatur wird hierzu die Auffassung vertreten, daß diese Vorschrift offensichtlich zur Vermeidung von Ungerechtigkeiten eingeführt wurde, welche dadurch entstehen können, daß ein überaus schwieriger und umfangreicher Fall, der die Arbeitskraft des Anwalts über einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt, genauso gewichtet wird, wie ein einfacher und wenig Zeit erfordernder Fall.35

Ausweislich der Bestimmung des § 7 Abs. 1 S. 2 FAO kann jedoch eine Gewichtung auch zu Ungunsten des Rechtsanwalts erfolgen. Alsdann stellt sich die Frage, ob Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit der Fälle letztendlich - ohne jegliche Beurteilungsspielraum - von der Rechtsprechung festgesetzt werden können. Hierfür spricht bereits die ältere Rechtsprechung des BGH, der eine Entscheidung des Vorstandes der RAK unter anderem mit der Begründung verworfen hat, daß der Ausschuß dem Nachweisverfahren "einen rechtlich unzutreffenden Maßstab zugrundegelegt" hat.36 In die gleiche Richtung geht die neuerere Rechtsprechung des BGH, wonach dem Ausschuß kein der richterlichen Nachprüfung entzogener Beurteilungsspielraum für die Beantwortung der Frage zustehe, ob die von dem Bewerber vorgelegten schriftlichen Unterlagen ausreichen, die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung zu befürworten. Hierbei wird die "Schwelle" für den Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung letztendlich vom BGH festgelegt. Während der BGH früher die Auffassung vertreten hat, daß an die Erbringung des Nachweises besonderer Kenntnisse und Erfahrungen ein strenger Maßstab anzulegen sei,37 vertritt der BGH nunmehr die Auffassung, daß der Gesetzgeber "die Schwelle für den Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung ersichtlich nicht sehr hoch ansetzen wollte".38 Damit entscheidet letztendlich die Rechtsprechung über die Zulassungskriterien für den Erwerb der "Fachanwaltsbezeichnung".

d) Allein die Verwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit einzelner Fälle kam nicht zu der Annahme eines Beurteilungsspielraums führen.39 Vorliegend wird jedoch darüber hinaus normiert, daß diese Faktoren zu einer "anderen Gewichtung" führen können. Man könnte die Auffassung vertreten, daß damit dem Ausschuß und letztendlich dem Vorstand der RAK ein gewisser, gerichtlich nicht nachprüfbarer Spielraum eingeräumt wird, da eine "Gewichtung" offensichtlich mit einer "Bewertung" verbunden ist.40 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, daß sich diese "Freiheit" des Ausschusses bzw. des Vorstandes der RAK lediglich aus § 5 Satz 2 FAO ergibt. Eine gesetzliche Regelung - so wie von der Rechtsprechung gefordert - ist nicht vorhanden. Es wäre auch sehr merkwürdig, wenn es möglich wäre, daß eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes in ihrer eigenen Satzung ihren Organen einen vom Gericht nur beschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum einräumt41 . Im Ergebnis ist somit der neueren Rechtsprechung des BGH zuzustimmen.

2. Rechtliche Schranken des Fachgespräches

Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 FAO soll das Fachgespräch "nicht weniger als 45 und nicht mehr als 60 Minuten betragen."42 Wenn das Fachgespräch jedoch lediglich die Funktion hat, dem Ausschuß die weitere Prüfung der vorgelegten oder vorzulegenden Unterlagen zu ermöglichen, ist eine Zeitvorgabe geradezu widersinnig. Von daher spricht eine gewisse Vermutung dafür, daß im Fachgespräch nicht nur der formale Erwerb der besonderen Kenntnisse und Erfahrungen geprüft werden soll. Hierfür spricht auch, daß gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 FAO die Fragen "sich an in diesen Bereichen in der Praxis überwiegend vorkommenden Fällen ausrichten" sollen. Damit wird das Wissen und die Erfahung des Rechtsanwalts geprüft,43 von einer Ergänzung oder Erläuterung der vorgelegten Unterlagen kann keine Rede sein.

Insoweit bestehen jedoch verfassungsrechtliche Bedenken. In § 43 c Abs. 2 BRAO ist ausschließlich davon die Rede, daß der Ausschuß der Kammer die von dem Rechtsanwalt vorzulegenden Nachweise über den Erwerb der besonderen Kenntnisse und Erfahrungen prüft. Daß dies in einem Fachgespräch zu geschehen hat, wird nicht normiert. Wenn in diesem Fachgespräch nicht nur die vorgelegten Nachweise überprüft werden, sondern auch die tatsächlich vorhandenen Kenntnisse44, hat der Ausschuß die ihm durch § 43 c Abs. 2 BRAO eröffnete Kompetenz überschritten. Die Rechtsprechung des BGH ist insoweit alles andere als konsequent: Zum einen führt der BGH aus, daß die dem Ausschuß obliegende Aufgabe sich im Gegensatz zu der von komplexen Vorstellungen und Erfahrungen geprägten, in der Gesamtheit der Erwägungen schwer darstellbaren Prüfungsentscheidung durch rechtliche Regeln vollständig erfassen lassen, woraus sich eine unbeschränkte gerichtliche Überprüfungskompetenz ergebe; zum anderen führt er in der gleichen Entscheidung aus, daß das Fachgespräch allein Ausnahmefällen vorbehalten sei und dazu diene, dem Ausschuß eine ergänzende Beurteilungsgrundlage zu liefern, wenn die schriftlichen Unterlagen für den Regelnachweis nicht ganz genügen, es jedoch möglich erscheine, deren Mängel durch einen positiven Eindruck im Fachgespräch auszugleichen.45

Ob der Rechtsanwalt im Fachgespräch einen "positiven Eindruck" hinterlassen hat, läßt sich in einem Gerichtsverfahren nicht ohne weiteres aufklären, da dieser "positive Eindruck" eine Wertung beinhaltet und demzufolge nicht in vollem Umfang von einem Gericht überprüft werden kann. Richtigerweise muß man das Fachgespräch auf ein Gespräch reduzieren, das ausschließlich der Ergänzung und Erläuterung der vorgelegten Unterlagen dient, und somit allenfalls zu einer Verbesserung der Rechtsposition des Rechtsanwalts führen kann, keinesfalls aber zu einer Verschlechterung.46

III. Nachschieben von Nachweisen im Prozeß

Der AGH Hamm hat die Auffassung vertreten, daß zwar grundsätzlich für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung der Zeitpunkt ihres Erlasses maßgeblich sei, daß jedoch in gewissem Umfang ausnahmsweise in dem gerichtlichen Verfahren vom Antragsteller nachgetragene, für ihn günstige Tatsachen berücksichtigt werden können, wenn sie zweifelsfrei feststehen.47

Mit der verwaltungsgerichtlichen Judikatur ist diese Rechtsprechung nur dann zu vereinbaren, wenn entgegen der Auffassung des AGH Hamm es sich weder um eine Ermessensentscheidung handelt, noch der entscheidenden Behörde ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt. Bei der Anfechtung von Ermessensentscheidungen kommt es naturgemäß auf den Zeitpunkt der Ermessensausübung durch die Behörde an.48 Darüber hinaus wird man die Auffassung vertreten müssen, daß eine Behörde einen Antrag auf Zulassung - sei es zu einer Prüfung sei es auf Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung - dann ohne weitere sachliche Überprüfung ablehnen, wenn die mit einer Ablehungsandrohung verbundene Fristsetzung zur Beibringung fehlender Unterlagen fruchtlos verstrichen ist.49

 


Fußnoten:

1 § 59 b BRAO wurde eingeführt durch Gesetz vom 02.09.1994, BGBl. I S. 2278.

2 Siehe hierzu Kleine-Cosack, NJW 1997, 1257 ff..

3 Diese Vorschrift entspricht § 42 b BRAO i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Berufsrechtes der Notare und der Rechtsanwälte vom 29.01.1991, BGBl. I S. 150.

4 BVerwG, NJW 1993, 2883 f = BRAK-Mitt. 1993, 112 f; Feuerich/Braun, BRAO, 3. Aufl. 1995, § 223 Rdnr. 19; Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, 1997, § 7 FAO, Rdnr. 14; Kleine-Cosack, in: Beck´sches Rechtsanwalts-Handbuch 1995/96, H I Rdrn. 199; Kleine-Cosack, NJW 1992, 785, 788.

5 Vgl. BVerfG, NJW 1991, 2005 ff., 2008 ff.; BVerwG, NVwZ 1993, 681 ff., 686 ff., 689 ff.. Ausführlich hierzu Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht 1998, Rdnr. 322 ff, 653 ff..

6 EGH Frankfurt BRAK-Mitt. 1988, 148; EGH München ,BRAK-Mitt. 1993, 223; BayAGH, BRAK-Mitt. 1996, 35, 36 sowie BRAK-Mitt. 1995, 168, 169; AGH Celle, Beschl. v. 14.11.1994 - AGH 7/94 (II-6) -; AGH Hamm, Beschl. v. 20.12.1996 - 1 ZU 35/96 -; AGH Saarbrücken, Beschl. v. 26.05.1997 - AGH 1/97 -.

7 Kleine-Cosack, (s. Fußn. 4), Rndr. 199; Feuerich/Braun, (s. Fußn. 4), Rdnr. 35; Hartung/Holl (s. Fußn. 4) Rdnr. 14; Henssler/Prütting, BRAO 1997, § 43 c Rdnr. 15.

8 So ausdrücklich Feuerich/Braun, (s. Fußn. 4), Rndr. 35 sowie Henssler/Prütting, (s. Fußn. 7) Rndr. 15 .

9 Ausführlich hierzu Zimmerling/Brehm, s. Fußn. 5.

10 BVerfGE 57, 121, 130 ff.; NJW 1992, 493; BGH, NJW-RR 1994, 1080; NJW-RR 1995, 1146; BayEGH, BRAK-Mitt. 1993, 223, 224; Tettinger, in: Sachs: Grundgesetz, 1996, Art. 12 Rdnr. 63.

11 Bejahend für Laufbahnprüfungen BVerwG, DVBl 1995, 1243 ff. = NVwZ 1997, 733 ff.; verneinend für die Bewertung von Klassenarbeiten OVG Saarlouis, Beschluß vom 07.11.1997 - 8 V 21/97-, zurückhaltend bei einer kaufmännischen Abschlußprüfung OVG Koblenz, Urt. v. 06.06.1997 - 2 A 12530/96.OVG -; siehe im übrigen Gerhardt, in: Schoch/Schmidt/Aßmann/Pietzner, VwGO, § 114 Fußn. 449 sowie Maurer, Allgem. Verwaltungsrecht, 10. Auflage 1995, § 7 Rdnr. 43.

12 So z.B. BGH, BRAK-Mitt. 1994, 104; BRAK-Mitt. 1994, 241; BRAK-Mitt. 1995, 73, 74; ebenso Feuerich/Braun, (s. Fußn. 4), Rndr. 34.

13 So z.B. Hartung/Holl, (s. Fußn. 4), Rdnr. 10; Meier, AnwBl. 1994, 406, 407; ähnlich Sellner, AnwBl 1994, 3 ff., 8, der von einem "prüfungsähnlichen Charakter" spricht.

14 BGH, BRAK-Mitt. 1994, 104, 105.

15 BGH, NJW-RR 1994, 1080 ff. sowie NJW-RR 1995, 1146 ff.; BRAK-Mitt. 1995, 128 ff.; BGH, BRAK-Mitt. 1997, 128 ff., 129; hierzu Meier, AnwBl. 1994, 406 f..

16 BVerfG, NVwZ 1995, 469 ff.; BVerwG, DVBl 1980, 482 ff. = DÖV 1980, 140 ff.; OVG Münster, NJW 1987, 952 ff. sowie NVwZ 1992, 397 ff.; Zimmerling/Brehm, s. Fußn. 5, Rdnr. 333 f.

17 BVerwGE 64, 142 ff., 153 ff.; siehe hierzu Niehves, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2, Prüfungsrecht, 3. Auflage 1994, Rdnr. 10 ff..

18 Vgl. z.B. BVerwG, Buchholz 418.01 Nr. 20; DÖV 1993, 863 ff.; NJW 1995, 2426 f; DVBl. 1997, 607 ff..

19 BVerwG, NVwZ 1983, 470; VGH Mannheim, NJW 1991, 3109 ff.; ausführlich hierzu Zimmerling, Akademische Grade und Titel, 2. Auflage 1995, Rdnr. 106 ff..

20 BVerwG, BVerwG, DVBl 1996, 811 ff. = NVwZ 1997, 179 ff..

21 Zimmerling/Brehm, s. Fußn. 5, Rdnr. 314 ff.; siehe hierzu im übrigen Niehves, NJW 1991, 3001 ff..

22 BHG, BRAK-Mitt. 1997, 128 ff., 129.

23 Siehe z.B. AGH Saabrücken, Beschl. v. 26.05.1997 - AGH 1/97 -.

24 Zum Erfordernis einer gesetzlichen Beurteilungsermächtigung siehe im Zusammenhang mit der Berufung von Staatsanwälten der ehemaligen DDR in ein neues Staatsanwaltsverhältnis BVerwG, DtZ 1997, 138 ff., 139 ff..

25 Nach Auffassung des BayAGH, BRAK-Mitt. 1996, 205 ff. stellt die Ladung zum Fachgespräch einen Verwaltungsakt dar; die verwaltungsgerichtliche Judikatur geht hingegen davon aus, daß die Ladung - sei es zu einem Prüfungsgespräch, sei es zu einer Musterung - nicht als Verwaltungsakt anzusehen ist, vgl. BVerwG, NJW 1994, 2541 ff.; OVG Lüneburg, NVwZ 1990, 1115; BayVGH, BayVBl. 1989, 343, 344; ausführlich hierzu Zimmerling/Brehm, s. Fußn. 5, Rdnr. 107 ff..

26 BGH, NJW-RR 1994, 1080 ff.; NJW-RR 1995, 1146 ff..

27 BVerwG, NJW 1982, 2885, 2887.

28 BGH, BRAK-Mitt. 1994, 104.

29 BGH, NJW 1995, 1424, 1425 unter Bezugnahme auf Sellner, AnwBl 1994, 3, 6.

30 BGH, BRAK-Mitt. 1997, 128 ff., 129 unter Bezugnahme auf BGH, BRAK-Mitt. 1996, 81 ff..

31 Zu den vorzulegenden Unterlagen, wie z.B. Dissertation, Veröffentlichungen etc. siehe Sellner, AnwBl 1994, 3 ff., 8.

32 Ausführlich hierzu Maurer, s. Fußn. 11, § 7 Rdnr. 27 ff..

33 Siehe hierzu beispielsweise BGH, BRAK-Mitt. 1995, 128 sowie NJW-RR 1996, 1147 ff.; EGH Celle, BRAK- Mitt. 1993, 108 ; AGH Saabrücken, Beschl. vom 26.09.1994 - EGH 3/94 -.

34 Pausenberger, AnwBl 1994, 13 ff., 14 spricht insoweit von einem "freien Ermessen" des Ausschusses.

35 Pausenberger, AnwBl 1994, 13 ff., 14.

36 BGH, BRAK-Mitt. 1995, 75.

37 BGH, BRAK-Mitt. 1995, 128 ff.; BGH, BRAK-Mitt. 1995, 214 ff.; BGH, NZA 1995, 751 l ff.=NJW-RR 1995, 1146 ff.; BayAGH BRAK-Mitt. 1996, 205 ff..

38 BGH, BRAK-Mitt. 1997, 128, 129 unter Bezugnahme auf BT-Druck F.12/1710, S. 8.

39 Vgl. Wolff/Bochof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Auflage, 1994, § 31 Rdnr. 8 ff.; Maurer (s. Fußn. 11, § 7 Rdnr. 28.

40 In diese Richtung tendiert BGH, BRAK-Mitt. 1994, 241 = NJW 1995, 1425, 1426 unter Bezugnahme auf Sellner, AnwBl 1994, 3, 6.

41 Auch die Ehrengerichtsbarkeit für Rechtsanwälte bedurfte einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, vgl. BVerwGE 48, 300, 315. Eine gesetzliche Beurteilungsermächtigung ist vorliegend nicht ersichtlich.

42 Siehe zur zuverlässigen Dauer ein Prüfung Zimmerling/Brehm (s. Fußn. 5) Rdnr. 201 ff..

43 Vgl. BGH, BRAK-Mitt. 1994, 104=AnwBl. 1994, 416, der auf "erhebliche Wissenslücken" abstellt sowie Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, § 7 FAO Rdnr. 10.

44 So ersichtlich in den vom BGH, BRAK-Mitt. 1994, 104 ff. sowie BFH NJW-RR 1995, 1146 ff. entschiedenen Fällen.

45 BGH, BRAK-Mitt. 1997, 126 ff., 127, 128.

46 A.A. Henssler/Prütting, (s. Fußn. 7) Rdnr. 13; Sellner, AnwBl 1994, 3 ff., 11 weist zutreffend daraufhin, daß das Fachgespräch nur ergänzende Funktion "zur Schließung von Nachweislücken" hat.

47 Beschluß vom 20.12.1996 - 1 ZU 35/96 -.

48 BVerwG, NJW 1982, 1414; Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 70; Spannowsky, in: Sodan/Ziekow, Vw 60, 1996, § 113 Rndrn. 259 f.;differenzierend Gerhardt, in: Schoch/Schmidt/Aßmann/Pietzner, VwGO, 1997, § 113 Rdnr. 66.

49 BVerwG, NVwZ-RR 1997, 355 ff.; hierzu Zimmerling/Brehm (s. Fußn. 5), Rdnr. 87 ff..