Dr. Wolfgang Zimmerling

Zum Anspruch auf Anrede mit dem Doktorgrad

I. Einleitung

In Gerichtssälen geschieht es immer wieder, daß ein promovierter Prozeßbeteiligter in Ermangelung besserer Argumente darauf besteht, daß er von den übrigen Prozeßbeteiligten mit dem Doktorgrad angeredet wird, um so von den eigentlichen Problemen des Falles abzulenken. Nicht immer kann der Angesprochene auf die Gepflogenheiten des diplomatischen Dienstes verweisen, wonach es nicht üblich sei, daß Promovierte sich mit dem Doktorgrad anreden. Häufig wird deshalb von Promovierten und Nichtpromovierten die Frage gestellt, ob ein Promovierter einen Anspruch hat, mit dem Doktorgrad angeredet zu werden.

II. Rechtliche Qualifizierung des Doktorgrades

Voraussetzung des Anspruchs auf Anrede mit dem Doktorgrad ist die Qualifizierung des Doktorgrads als Namensbestandteil (§ 12 BGB). Die Judikatur vertritt hingegen die Auffassung, daß der akademische Grad (somit auch der Doktorgrad) kein Bestandteil des Namens ist.1 Das verwaltungsrechtliche Schrifttum ist der gleichen Meinung.2 Unklar ist das zivilrechtliche Schrifttum. Zwar wird überwiegend im Anschluß an die Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß der Doktorgrad kein Bestandteil des Namens ist.3 Es wird allerdings auch ausgeführt, "akademische Titel" gehören zum Namen4 bzw. seien Namensattribute.5 Die Unklarheiten beruhen darauf, daß in der zivilrechtlichen Literatur nicht hinreichend gewürdigt wird, daß der Doktorgrad (ebenso wie der Diplomgrad) (lediglich) ein von der Hochschule verliehender akademischer Grad ist. Statt dessen ist vielfach die Rede von "akademischen Titeln"6, die im Zusammenhang mit Adelstiteln oder Adelsbezeichnungen genannt werden, die gem. Art. 109 Abs. 3 Satz 2 WRV Teil des bürgerlichen Namens sind (soweit sie vor dem 14.08.1919 erworben worden sind).7

Daß der "Doktortitel" tatsächlich ein akademischer Grad ist, ergibt sich zwingend aus § 18 Abs. 2 HRG. Durch die Verleihung des Doktorgrades wird die erbrachte wissenschaftliche Leistung gewürdigt.8 Die Promotion ist eine Hochschulprüfung, wie viele andere Prüfungen auch, für die §§ 15 ff HRG entsprechend gelten.9 Mit dem (bürgerlichen) Namen hat dies nichts zu tun.

Irritationen mag es geben, weil der Doktorgrad in den Reisepaß oder Personalausweis eingetragen werden kann. Dies ergibt sich jedoch nicht deshalb, weil er ein Bestandteil des Namens ist, sondern aufgrund ausdrücklicher gesetzgeberischer Regelung (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 PaßG sowie § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PAuswG).10 Wäre der "Doktortitel" Namensbestandteil, so hätte es dieser gesetzlichen Regelungen nicht bedurft.

Schließlich ist darauf zu verweisen, daß in Personenstandsbüchern und -urkunden der Doktorgrad nur mit Einwilligung des Betroffenen eingetragen werden darf. So gibt die Heiratsurkunde nur den wesentlichen Inhalt der Eintragung im Heiratsbuch wieder; die Angabe des akademischen Grades ist als wesentlicher Teil in § 63 PStG nicht aufgeführt und unterbleibt, wenn sie vom Betroffenen nicht gewollt ist.11

Da somit der akademische Grad kein Namensbestandteil ist, hat der Promovierte keinen sich aus § 12 BGB ergebenen Anspruch auf Anrede mit dem Doktorgrad.12

III. Die Bedeutung des Doktorgrades im Arbeits- und Beamtenverhältnis

Das BAG vertritt die Auffassung, daß der Arbeitnehmer aufgrund des verfassungsrechtlich geprägten allgemeinen Persönlichkeitsschutzes einen Anspruch darauf hat, daß der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer erworbenen akademischen Grad im Geschäftsverkehr nach außen in seiner konkreten Ausgestaltung korrekt verwendet. Die fehlerhafte oder unvollständige Verwendung des akademischen Grades bedeute einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, der allerdings durch schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein kann.13

Der Arbeitgeber hat den vom Arbeitnehmer erworbenen akademischen Grad grundsätzlich so zu respektieren, wie er sich aus der Diplomurkunde ergibt. Gegebenenfalls kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 12, 862, 1004 BGB bei einem objektiv rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht die Beseitigung einer fortwirkenden Beeinträchtigung verlangen. Ihm stehe ferner der gleichfalls in entsprechender Anwendung der §§ 12, 862, 1004 BGB entwickelte vorbeugende Unterlassungsanspruch zu, sofern die Besorgnis künftiger Wiederholung des Eingriffs besteht.14

Das VG München hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob das Weglassen des Doktortitels gegenüber dem promovierten Dienstvorgesetzten das beamtenrechtliche Gebot zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt.15 Das VG München hat diese Frage verneint, da bei objektiver Betrachtung in dem Weglassen des Doktortitels keine das Ansehen der Person beeinträchtigende Anrede liege. Offengelassen wurde die Frage, ob gleiches gilt, wenn der Betroffene Wert darauf legt, mit seinem "vollen Namen" angesprochen zu werden und wenn sich der Beamte bewußt über diese Bitte hinwegsetzt. Der Entscheidung des VG München ist zuzustimmen. Gem. § 81 BBG (und den entsprechenden Bestimmungen der Landesbeamtengesetze) führt der Beamte im Dienst die Amtsbezeichnung des ihm übertragenen Amtes. Dies bedeutet jedoch lediglich, daß sich der Beamte dieser Amtsbezeichnung bedient. Die Vorschrift gibt dem Beamten keinen Anspruch auf Verwendung der Amtsbezeichnung durch den Dienstherrn und auch keinen Anspruch darauf, von anderen Beamten oder vom Publikum mit seiner Amtsbezeichnung angeredet zu werden.16 Für den Doktorgrad hat entsprechendes zu gelten.

IV. Resümee

Es verbleibt somit bei der Erkenntnis, daß der Doktorgrad zwar "anredefähig" ist, daß indes der Promovierte keinen Anspruch auf Anrede mit dem Doktorgrad hat. Sofern allerdings im Arbeitsverhältnis der Arbeitgeber den akademischen Grad des Arbeitnehmers verwendet, muß er ihn in der korrekten Form verwenden, sofern nicht sich der Arbeitgeber auf berechtigte Interessen berufen kann. Fragen der Höflichkeit sind vorliegend nicht zu diskutieren.17

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Fußnoten:

1 Siehe z.B. BVerwGE 5, 291 ff; BGHZ 38, 380 ff; ähnlich KG, NJW 1965, 254 ff.

2 So z.B. Zimmerling, Akademische Grade und Titel, 2. Aufl. 1995, Rdnr. 64 ff; Kahle, Der Mißbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen, 1995, S. 196.

3 So z.B. Staudinger, BGB, 13. Aufl. 1995, § 12 Rdnr. 31; Palandt, BGB, 55. Aufl. 1996, § 12 Rdnr.4; RGRK, BGB, 12. Aufl. 1982, § 12 Rdnr. 32.

4 So z.B. Hadding, JuS 1976, 582 sowie Schmieder, JuS 1995, 119.

5 So z.B. Hönn, ZHR 153 (1989), 387.

6 So auch MK-Schwerdtner, BGB, 3. Aufl., § 12 Rdnr. 21.

7 MK-Schwerdtner, aaO, Rdnr. 22.

8 Karpen, in: Hailbronner, HRG, § 18 Rdnr. 30; Reich, HRG, 5. Aufl. 1996, § 10 Rdnr. 13; Zimmerling, aaO, Rdnr. 49.

9 VGH Kassel, NJVwZ-RR 1993, 628; Reich, aaO.

10 BVerwG, NJW 1989, 1686; Medert/Süßmuth, Paß- und Personalausweisrecht, 2. Aufl., C Rdnr.24.

11 BayObLG, MDR 1990, 635; siehe hierzu auch Gaaz, Das Standesamt 1985, 189 ff.

12 Laufs/Uhlenbruch, Handbuch des Arztrechts, 1992, § 9 Rdnr. 6; so auch Kahle, aaO, S. 196; Gaaz, aaO, S. 191.

13 BAG, MDR 1984, 873 f = AP Nr. 5 zu § 611 Persönlichkeitsrecht m. Anm. Echterkälter; hierzu Blomeyer, in: Münchener Handbuch, Arbeitsrecht, Bd. 1, § 95 Rdnr. 21.

14 Zustimmend Erman, BGB, 9. Aufl. 1993, Anhang zu § 12, Rdnr. 401; Soergel-Siebert, BGB, 12. Aufl. 1987, § 12 Rdnr. 4 mit Fußn. 8 sowie Rdnr. 157.

15 VG München, BayVBl. 1989, 25 f.

16 VGH Mannheim, ZBR 1976, 256; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, BBG, § 81 Rdnr. 10; Battis, BGB, § 81 Rdnr. 3; Wiese, Beamtenrecht, 3. Aufl. 1988, S. 219;vgl. Protokolle über die 267. Sitzung des Bundestages, 1. Wahlperiode, 13126 D.

17 Siehe auch OVG Lüneburg, NJW 1995, 1572 f zur Anrede "Frau" für weibliche Personen.