I.
Das OVG
Saarlouis hat mit Urt.v.29.01.2001 3 R
230/00 - die Auffassung
vertreten, aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 18 Abs. 1 Satz 3
HRG ergebe sich die Verpflichtung der Hochschule zum Erlass einer
Diplomierungssatzung für Juristen, die ausschließlich das erste juristische
Staatsexamen bestanden haben ("sogenannte mit Erfolg geprüfte
Rechtskandidaten"). Weiterhin hat das OVG Saarlouis die Auffassung
vertreten, dass eine derartige Diplomierungssatzung alle diejenigen erfassen
müsste, die nach der Wiedervereinigung Deutschlands das juristische
Hochschulstudium erfolgreich abgeschlossen haben, da es seit dieser Zeit den
"Diplom-Juristen" in Deutschland gibt (ausführlich zu dieser
Entscheidung des OVG Saarlouis Zimmerling, in: Friese (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsbarkeit
im Saarland Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des
Oberverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichts in Saarlouis, 2002, S.
177 ff.). Im Anschluss an diese Entscheidung des OVG Saarlouis haben z.B. die
Universität Göttingen den "Diplom-Juristen" (siehe hierzu
Pressemitteilung in JuS 2001, Heft 8, S. XXIV) und der Fachbereich
Evangelische Theologie der Universität Mainz des Hochschulgrad
"Diplom-Theologe" (siehe hierzu Saarbrücker Zeitung vom 06.11.2001,
S. C 3) eingeführt.
II.
Das BVerwG hat demgegenüber zu Recht die Auffassung
vertreten, dass sich aus § 18 Abs. 1 Satz 3 HRG unmittelbar keine Rechte
herleiten lassen. Aus der entsprechenden landesgesetzlichen Regelung in § 75
Abs. 2 UG Saar lasse sich nicht herleiten, dass bei der Neueinführung eines
Hochschulgrades dessen Verleihung auch an Personen erwogen worden ist, die
die Hochschule nach erfolgreichem Abschluss eines Studiums bereits verlassen
haben. Das BVerwG hat bedauerlicherweise aus
seiner Sicht sicherlich vertretbar, der Rechtssicherheit jedoch nicht dienlich offengelassen, ob sich aus Art. 12 Abs. 1 GG eine
Schutzpflicht des Inhalts ergebe, "die normative Ausgestaltung eines
Berufsbildes an Veränderungen der Berufswelt dadurch anzupassen, dass es zu
Gunsten der Angehörigen dieses Berufes geändert oder um einzelne
Regelungselemente ergänzt wird." Für das BVerwG war entscheidend, dass
eine derartige Verpflichtung nur dann in Betracht zu ziehen wäre, - wenn das
Unterbleiben derartiger Änderungen oder Ergänzungen die Wahl und/oder die
Ausübung des Berufs unverhältnismäßig erschwerte. Dies wurde im konkreten
Fall verneint. Der Kläger hatte nach Auffassung des BVerwG zu den
Auswirkungen der etwaigen Verleihung des akademischen Grades
"Diplom-Jurist" auf sein berufliches Fortkommen nicht
ausreicheichend vorgetragen.
III.
Sämtliche
Hochschulgrade (mit Ausnahme des "Dr. h.c.", siehe hierzu
Zimmerling, WissR 1996, 320 ff) unterfallen dem Schutzbereich des Art. 12
Abs. 1 GG, und zwar zumindest in
Anwendung der Stufentheorie des BVerfG auf der Ebene der
Berufsausübung. Dies wird deutlich bei der Untersagung der Führung eines
ausländischen akademischen Grades oder dem Entzug eines akademischen Grades
wegen Unwürdigkeit (siehe z.B. BVerfG, NJW 1999, 2730; Zimmerling,
Akademische Grade und Titel, 2. Aufl. 1995, Rz 120 ff). Das BVerfG hat
weiterhin judiziert, dass Art. 12 Abs. 1 GG die Hochschule nicht
verpflichtet, ihren Studenten die Wahl mehrerer Schwerpunktfächer im Sinne
des Prüfungsordnung zu gestatten, mit der Folge, das mehrere Diplomarbeiten
geschrieben werden dürfen, mehrere Abschlusszeugnisse zu erteilen und mehrere
akademischen Grade zu verleihen wären (BVerfG, NVwZ-RR 1995, 666). Den
akademischen Graden gleich ob Diplom oder Doktorgrad kommt im Berufsleben eine erhebliche Bedeutung zu; so hat das OVG
Saarlouis zu Recht darauf verwiesen, dass eine Vorentscheidung eines
Arbeitgebers naheliegend ist, für den Anstellungsvertrag in erster Line auf
den akademischen Grad abzustellen (siehe hierzu BAG, MDR 1984, 873; BVerfG,
DVBl. 2000, 1050). Weiterhin werden akademische Grade in Personenstandsbücher
und Urkunden eingetragen.
Es gibt
keinen "Numerus clausus" der akademischen Grade (Thieme, Deutsches
Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, Rz 335, ff, 338). Durch die Neuregelung des §
19 HRG (geändert durch Gesetz vom 20.08.1998, BGBl. I, S. 2190) können die
Hochschulen nunmehr auch den Bachelor- oder Bakkalaurius-Grad sowie den Master-
oder Magistergrad verleihen. Es ist wenig einsichtig, wenn ein Student nach
einem 6-semestrigen Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule zwar den
B.A. (Bachelor- oder Bakkalaurius-Grad) erwerben kann, hingegen ein Student
der Rechtswissenschaft nach einem erfolgreich abgeschlossenen 8-semestrigen
Studium keinen Hochschulgrad erhält.
Zu
klären bleibt die Reichweite des Teilhaberrechtes aus Art. 12 Abs. 1 GG
i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot (grundlegend BverfGE 33,
303 ff). Hiernach gewährleisten die Grundrechtsbestimmungen das Recht des die
subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllenden Staatsbürgers auf Zulassung
zum Hochschulstudium seiner Wahl. Nach Zulassung zum Hochschulstudium hat der
Student einen Anspruch auf ordnungsgemäße Ausbildung, um innerhalb der
Regelstudienzeit die Abschlussprüfung ablegen zu können. Gegebenenfalls kann
der Student unter Berufung auf Art. 12 Abs. 1 GG die Zulassung zu einem
Praktikum mit internem Numerus clausus erstreiten (siehe z.B. VGH Kassel, NJW
1990, 2336). Weiterhin hat der Student nach Absolvierung des Studiums ein
sich aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebendes "Recht auf Prüfung" (BVerwG,
NJW 1974, 573; Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 2. Aufl. 2001, Rz. 111).
Das sich
aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Sozialstaatsprinzip
ergehende Teilhaberrecht des Studenten ist im Ergebnis wertlos, wenn dem
Studenten nicht bei erfolgreichem Abschluss des Studiums eine entsprechende
Qualifikation bescheinigt wird. Vordergründig mag insoweit ein Zeugnis
ausreichen, in welchem der Student als "Rechtskandidat" bezeichnet
wird. Wenn indes die Absolventen einer Hochschulprüfung mit erfolgreichem
Abschluss ihres Studiums einen Hochschulgrad erhalten, ist im Hinblick auf
den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht ersichtlich, mit welcher Begründung
demjenigen Studenten, der sich einer staatlichen Prüfung nach den
gesetzlichen Bestimmungen unterziehen musste, die Verleihung eines
Hochschulgrades verwehrt wird. Der Teilhabeanspruch ist von der Hochschule zu
erfüllen. Wenn der Student nach Absolvierung eines Hochschulstudiums
üblicherweise den Diplomgrad erhält, hat im Hinblick auf den
Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechendes für den Studenten der
Rechtswissenschaft zu gelten, der das erste juristische Staatsexamen beim
Staatlichen Landesprüfungsamt für Juristen bestanden hat. Von daher ist die
Hochschule verpflichtet, eine entsprechende Diplomierungssatzung bereits von
Verfassungswegen zu erlassen.
IV.
Nichtsdestotrotz
hat das BVerwG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe nicht ausreichend
dargelegt, dass die (nachträgliche) Diplomierung für seine Berufsausübung
zumindest vorteilhaft ist. Auf das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG kann sich
natürlich nur derjenige berufen, dem dieses Grundrecht zukünftig irgendeinen Vorteil
verschafft. Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht tangiert, wenn überspitzt ausgedrückt ein
vor Jahrzehnten mit Erfolg geprüfter Rechtskandidat, der zwischenzeitlich
sich im Ruhestand befindet, lediglich erreichen will, dass in der
Todesannonce oder auf dem Grabstein dem Namen auch ein akademischer Grad
beigefügt werden kann. Von daher bleibt offen, welche Voraussetzungen ein
Kläger erfüllen muss, um im Gerichtsverfahren den Erlass einer
Diplomierungssatzung zu erfüllen.
Hiervon unabhängig
ist jedoch die Frage, ob und gegebenenfalls welche Stichtagsregelung die
Hochschule bei Erlass einer Diplomierungssatzung wählt. Wie weit kann oder
muss die Hochschule in die Vergangenheit zurückgehen? Hierbei ist zu
beachten, dass es eine Reihe von Juristen gibt, die zwar das Erste
Juristische Staatsexamen absolviert haben, die jedoch aus welchen Gründen auch immer die
Referendarzeit nicht mit dem Assessorexamen abgeschlossen haben. Dies gilt
beispielsweise für zahlreiche Frauen, die während der Referendarzeit Kinder
bekommen haben und den erstmaligen Einstieg in das Berufsleben erst 10-20
Jahre später getätigt haben, nachdem nämlich die Kinder genügend alt waren.
So ist es denkbar, dass diese Frauen sich bei juristischen Fachverlagen um eine
Lektoratstelle bewerben wollen, es ist genauso denkbar, dass sie für
Zeitschriften arbeiten und über die Entwicklung des Rechtslebens oder von
Gerichtsverfahren berichten wollen. Gerade bei einer Tätigkeit im Ausland
wäre das Vorweisen eines Diplomtitels von Vorteil. Die auch grundgesetzlich
normierte Verpflichtung zur Beseitigung bestehender Nachteile von Frauen
(vgl. Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG) verbietet eine zu enge Stichtagsregelung.
Rein
vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass es nicht um eine "Nachdiplomierung"
geht. Die Nachdiplomierung (vor allem bei Fachhochschulen) wurde vielfach als
"Rechtswohltat" bezeichnet (BVerwG, KMK-HSchR 1983, 834; OVG Saarlouis,
Beschl.v. 19.03.1992 8 N 4/91 -). Vorliegend hat der "mit Erfolg
geprüfte Rechtskandidat" einen verfassungskräftigen Rechtsanspruch auf
(Nach-)Diplomierung. Das BVerwG hat zwar insoweit einen Verstoß gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verneint und die Behauptung
aufgestellt, es gäbe Gründe für eine Ungleichbehandlung insbesondere
gegenüber Hochschulabsolventen in anderen Studiengängen. Dem ist
entgegenzuhalten, dass seit Anfang der 90-er Jahre an Fachhochschulen der
akademische Grad eines Diplom-Juristen erworben werden kann (siehe hierzu
Martin, ZRP 1993, 465 sowie Krimphove, ZRP 1996, 248). Es ist nicht
einsichtig, dass das Studium des "Wirtschaftsrechts" an einer FH
mit dem akademischen Grad "Diplom-Jurist" abgeschlossen werden
kann, nicht jedoch das Studium der Rechtswissenschaft an einer Universität.
Entgegen der Auffassung des BVerwG wird man deshalb seit Anfang der 90-er
Jahre, seitdem die Fachhochschulen den akademischen Grad
"Diplom-Jurist" verleihen, von einem Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz ausgehen müssen.
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